S. Providoli u.a. (Hrsg.): 400 Jahre im Gletschereis

Cover
Titel
400 Jahre im Gletschereis. Der Theodulpass bei Zermatt und sein Söldner


Herausgeber
Providoli, Sophie; Philippe, Curdy; Patrick, Elsig
Reihe
Reihe des Geschichtsmuseums Wallis 13
Erschienen
Baden 2015: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Urs Niffeler

Im Jahr 1984 fand Annemarie Julen-Lehner beim Schifahren am Theodulgletscher auf rund 3000 m ü.M. einen Dolch und eine Münze. Bis zum Jahr 1989 entdeckte sie, zusammen mit ihrem Bruder, weiteren Familienmitgliedern und mit Freunden weitere Relikte: menschliche Gebeine, Waffen, Münzen, Maultierüberreste, Silberschmuck sowie Objekte aus Glas, Holz, und Metall und schliesslich Stoff- und Lederfragmente. Zwischen 1986 und 1991 gelangten die Objekte ins Schweizerische Landesmuseum und in die Abeggstiftung Riggisberg (Stoffreste). Im Jahr 2006 wurde der damalige Bestand an Funden dem Walliser Geschichtsmuseum übergeben. Zwischen 2010 und 2014 untersuchten Forschende die Funde; daraus resultierte die anzuzeigende Publikation.

Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis aber zeigt, dass der Band weit mehr ist als das, was der Titel verspricht. Der erste Teil (S. 13–27) setzt sich zunächst mit den Pässen in der Nacheiszeit sowie mit der Archäologie in diesem sehr speziellen Ambiente generell auseinander. Danach geht es geht es um die Gletscher allgemein und um den Theodulgletscher im Besonderen. Der zweite Block (S. 37–89) ist betitelt mit «Von Göttern und kampfeslustigen Frauen: Der Theodulpass bei Zermatt von der Urgeschichte bis heute» und behandelt ein breites Spektrum von Funden vom Theodul: von einem neolithischen Eklogitbeil über einen hölzernen keltischen Sichelgriff, römische Münzen (Opferplatz?), mittelalterliche Waffen bis zu Knochen vorwiegend von Equiden, wohl Saumtieren. Selbst Schriftquellen und Karten sind in einem eigenen Kapitel ausgewertet vorgelegt.

Was der Titel ankündigt, findet sich auf den Seiten 91–149: die Fundgeschichte sowie die Auswertung der Funde, beginnend mit den Überresten des Toten, seiner Kleidung, Schuhe, Waffen, der Münzen in Kurzform und schliesslich die Deutung und Überlegungen zur Frage, wer der Verstorbene war. Um nur einige Punkte zu erwähnen: Es handelt sich um einen Mann von 20–30 Jahren, der in Kleidern aus roten und blauen Woll- und Seidenstoffen mit gelben Bortenbesätzen und dunkelblauen Glasknöpfen reiste. Er war mit qualitätvollen Waffen ausgerüstet, nämlich einem Degen mit Schlagmarke aus Passau oder Solingen, Parierdolch und Radschlosspistole. Schliesslich trug er einen Geldbetrag bei sich, der einem Söldnergehalt von einem bis zweieinhalb Jahren entsprach (zu den Münzen s. auch anschliessende Anzeige, Diaz Tabernero/Gianazza, IFS 13). Der Waffen und des Geldbetrags wegen tauchte die Vermutung auf, es könnte sich um einen unter ungeklärten umständen umgekommenen Söldner handeln; die Deutung ist aber keineswegs gesichert. Der Block schliesst mit der Präsentation einer weibliche Gletscheleiche vom Porchabellagletscher (Bergün GR), einer 1.57 m grossen, 20–25-jährigen Frau, die um 1685–1690 vermutlich bei einer Passüberquerung umgekommen war.

Die Publikation endet mit dem umfangreichen Katalog der zuvor besprochenen Funde sowie einem Anhang, der u.a. eine Auswahlbibliografie zum «Söldner» enthält. Sie fällt — neben dem Text natürlich — durch ihre sehr qualitätvollen Fotos und die ruhige, übersichtliche Gestaltung wohltuend auf.

Zitierweise:
Urs Niffeler: Rezension zu: Sophie Providoli, Philippe Curdy und Patrick Elsig (Hrsg.) 400 Jahre im Gletschereis. Der Theodulpass bei Zermatt und sein «Söldner». Reihe des Geschichtsmuseums Wallis 13. Baden 2015. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 99, 2016, S. 263.

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Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 99, 2016, S. 263.

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